„Wir kommen an die Grenze dessen, was möglich ist, seiner Dienstpflicht nachzukommen“

Rettungssanitäter Sebastian Kordel und Notfallsanitäter Daniel Bisdorf kontrollieren die Gerätschaften Foto: Björn Kraft
Auch in der Coronapandemie immer für die Menschen da: Die Rettungswachen der Malteser in Welschbillig und Pluwig Foto: Björn Kraft

Welschbillig. Die 32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Malteser Rettungswachen in Welschbillig und Pluwig sind in einem vorwiegend ländlichen Raum in den angrenzenden Ortschaften im Rettungsdienst für die Menschen im Einsatz.

„Die Einsätze sind insgesamt zurückgegangen“, so Tobias Guckenbiehl, Leitstellendisponent und Notfallsanitäter aus Welschbillig, „aber Einsätze mit einer Coronainfektion oder -verdacht haben massiv zugenommen“, erklärt er weiter. Bei fast jedem vierten Einsatz handelt es sich dabei momentan um eine sogenannte Infektionsfahrt.

Hoher Aufwand nach Coronafahrten

Dies stellt die Rettungswachen vor große Herausforderungen, da ein größerer Aufwand betrieben werden muss, sich selbst zu schützen oder die Einsatzfahrzeuge und Materialien zu desinfizieren. Hinzu kommt, dass alle Infektionsfahrten durch einen Rettungsdienst geleistet werden müssen, auch wenn zusätzlich keinerlei medizinische Hilfeleistungen am Patienten nötig sind.

„Durch die Desinfektionsmaßnahmen sind die Fahrzeuge für einen Zeitraum von 60 Minuten für Notfälle nicht mehr greifbar und so kann es kommen, dass man schnell keine Kapazitäten mehr im Rettungsdienst zur Verfügung hat“, sagt Guckenbiehl. „Im Notfall muss man dann schauen, wo man einen Rettungswagen herbekommt“, mahnt der Leitstellendisponent.

Hilfsfrist von 15 Minuten in abgelegenen Orten nur knapp zu gewährleisten

Durch die in Rheinland-Pfalz geltende Hilfsfrist von 15 Minuten ist man auch dadurch hart an der Grenze dessen was möglich ist, da es bereits Ortschaften gibt, die nur noch sehr knapp innerhalb dieser Frist erreicht werden können. Um die Fahrtzeit der Rettungskräfte im Notfall zu verkürzen, müssten neue, zusätzliche Rettungswachen aufgebaut werden. Die Einsatzbelastung für die einzelnen Rettungswachen würde so reduziert werden und „für die Bevölkerung gäbe es einen wünschenswerten Mehrwert“, erklärt Guckenbiehl. Jedoch verursacht die Öffnung einer neuen Rettungswache enorme Kosten, an denen sich auch das Land beteiligen müsste. „Von den Gebäudekosten müsste das Land 75% tragen“, so Guckenbiehl.

Finanzieller Mehraufwand durch die Coronapandemie

Die Coronapandemie hat zusätzlich zu einem massiven finanziellen Mehraufwand geführt. „Die Preise für Schutzausrüstung wie Kittel, Desinfektionsmittel, Seife und Handschuhe sind explodiert!“, sagt Björn Kraft, Rettungswachenleiter der Malteser Rettungswachen. „Im letzten Jahr waren die Masken knapp, in diesem Jahr sind es die Handschuhe“, so Kraft weiter. Die Preise für eine Packung Handschuhe haben sich annähernd vervierfacht. Im Lager der Rettungswache Welschbillig bestehe aber noch kein gravierender Engpass, „wir machen uns aber schon Gedanken“, erzählt Kraft.

Fehlendes Verständnis und erhöhte Erwartungshaltung

Auch die persönliche Mehrbelastung für die Kolleginnen und Kollegen hat durch die Pandemie zugenommen. Durch das permanente Ansteckungsrisiko sind die Notfallsanitäterinnen und -sanitäter selbst betroffen und psychisch gefordert: sie müssen den Patienten gerecht werden und sich gleichzeitig selbst vor einer Ansteckung schützen. „Die Erwartungshaltung der Mitmenschen ist insgesamt höher geworden“, so Daniel Bisdorf, Notfallsanitäter in der Rettungswache Welschbillig. „Man merkt, dass die Leute gereizter sind und weniger Geduld haben. Leider geht die Freundlichkeit auch manchmal verloren, was zu einem schwierigen Miteinander führt“, resümiert Bisdorf. Das Durchsetzen der Coronamaßnahmen im Hinblick auf die Maskenpflicht oder die Kontaktminimierung in den Rettungswagen schüren Konflikte und lassen eine gereizte Stimmung zurück. „Die Leute sind schnell genervt und es fehlt manchmal an Verständnis. Da ist es schwierig, den Spagat zwischen freundlichem und bestimmtem Auftreten hinzubekommen“, sagt Bisdorf.

Komplexe Personalplanung und Fortbildung

Auch der zeitliche Aufwand für die Personalplanung ist durch die Pandemie aufwändiger geworden. So fallen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei einem Coronaverdacht oder einer Erkrankung im Schnitt für circa 14 Tage aus. „Wir kommen an die Grenze dessen, was möglich ist, seiner Dienstpflicht nachzukommen“, so Björn Kraft. Denn auch die jährliche Fortbildungspflicht oder Weiterqualifizierung der Mitarbeiter, muss in der Pandemie gewährleistet werden. „Digitale Fortbildungen müssen so gestaltet werden, dass die Inhalte gut vermittelt werden können. Es ist doch etwas anderes, acht Stunden vor dem Laptop zu sitzen, als wenn man zusammen Fallbeispiele trainiert“, so Bisdorf.

Die Rettungswache bekämpft die Ausbreitung der Pandemie mit Coronatests und durch eine flexible Arbeitsplangestaltung wird versucht, die Belastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gering zu halten. Der Rettungswachenleiter würde sich aber wünschen, dass alle Rettungskräfte nach Möglichkeit zügig geimpft werden können, um das Infektionsrisiko im Einsatz zu minimieren.